Montag, 14. Dezember 2015

Magen-Darm Beschwerden im Ultralaufbereich - Please no fiber! Maybe juice?



Im Rahmen des Herbstrainingslagers der Ultralauf-Nationalmannschaft durfte ich über Ernährung im Ultralaufbereich referieren. Da ich selbst bisher nicht weiter als 45 Kilometer am Stück gelaufen bin, bedeutete  meine Vorbereitung eine intensive Recherche der wissenschaftlichen Datenbanken aber auch von Blogs und Webseiten der Ultralaufszene. Die Ergebnisse daraus setzte ich in Verbindung mit meinen eigenen, teilweise auch sehr negativen Erfahrungen mit Magen-Darm Beschwerden.

Ich habe in diversen Blogs gute Zusammenfassungen der allgemeinen Ernährungsempfehlungen der verschiedenen großen Gesellschaften für Ernährungs- oder Sportwissenschaft gefunden. Die Umsetzung dieser funktioniert bei den Athleten relativ gut. Trotzdem sind Magen-Darm-Beschwerden ein grundlegendes Problem, vor allem im Langstreckenlauf.

Gewinnt der Athlet/ die Athletin mit der besten Magen-Darm-Schleimhaut das Rennen? In manchen Fällen lautet die Antwort: Ja!

Häufig wird der Kardinalfehler bereits bei der Vor-Wettkampfernährung begangen, auf die zu wenig hingewiesen wird! Kommen dann psychische Faktoren hinzu kann das insbesondere beim Wettkampfhöhepunkt zum DNF führen:

Zu viele Ballaststoffe werden in den letzten 48h vor dem Wettkampf aufgenommen! Was in der Basisernährung als gesund gilt, wird uns beim Wettkampf zum Verhängnis. Schon der Name BALLASTstoffe sollte für den Wettkampf ein Wink mit dem Zaunspfahl sein. Ballaststoffe dienen nicht der Energieversorgung und verbleiben bis zu ihrem Wiederaustritt als Stuhl im Darm. Sie werden, wenn überhaupt,durch die  Bakterien unserer Darmflora verstoffwechselt. Dabei spielt das mitzuschleppende Mehrgewicht eher eine untergeordnete Rolle. Es ist problematisch, DASS sich die Ballaststoffe beim Wettkampf in der Nähe des Enddarms befinden.

Glücklicherweise ist die Magen-Darm-Passage beim bei trainierten Personen deutlich verkürzt, sodass auch nach 12-16 Stunden das Gegessene entweder verstoffwechselt wurde oder sich physikalisch nicht mehr im Körper befindet.

Als pathophysiologische Hauptursache (Krankheitsentstehung) der Magen-Darm-Beschwerden wird eine Minderdurchblutung dieses Gebietes während körperlicher Belastung vermutet. Diese Minderdurchblutung folgen die entsprechenden Reaktionen. Bei weniger Durchblutung ist die ganze Bandbreite der Funktionen eingeschränkt: Der wichtigste Aspekt ist die Aufnahme von Wasser und der energiereichen Stoffe: Kohlehydrate und Fette. Durch die Abnahme dieser Zufuhr wird der Körper weiter geschwächt, die Belastung nimmt durch den Energie- und Flüssigkeitsmangel zu, die Durchblutung des Magen-Darm-Traktes weiter ab. Als Reaktion arbeitet auch die glatte Muskulatur des Darms nicht mehr richtig. Sie krampft. Wird nun von oben gegen den inneren Widerstand Nahrungund Flüssigkeit zugeführt oder ist die Funktionseinschränkung zu stark, reagiert der Körper mit einem aufwändigen Schutzreflex: Erbrechen. Dieses wird bei Ultralaufteilnahmen sehr häufig berichtet. Die Hauptaufgabe des Dickdarmes, der Flüssigkeitsentzug des Stuhls funktioniert ebenfalls nicht mehr. Kombiniert mit einer guten Portion an Ballaststoffen ergibt das ein Pulverfass. 

Der Grundansatz der akuten Durchblutungswiederherstellung ist die Belastungsreduktion. Häufig bedeutet das Rennabbruch. Der langfristige Ansatz heißt Magen-Darm-Training. Zwar funktioniert die Magen-Darm-Durchblutung relativ unbewusst, an Emotionsreaktionen erkennt man doch die Regluationsmöglichkeiten: Angst und Panik lassen uns den Magen "umdrehen". Nach unten hin kennt man den "Angstschiss" 

Wer häufiger während intensiver Belastung Flüssigkeit und Nahrung aufnimmt, kann seine Durchblutung optimieren. Ein weiterer Ansatz ist die chemische Durchblutungsregulation. Über das NO-System kann sie für den Magen-Darm-Bereich verbessert werden. Was beim Herzpatienten mit Sublingualspray den Blutdruck senkt und die Herzdurchblutung verbessert, kann mit nitrat- und nitrithaltigen Stoffen direkt oder mit dieses System aktivierenden Aminosäuren versucht werden. Einzelne Studien an Tieren aber auch schon an Athleten sind vielversprechend. Als gute NO-Aktivierer haben sich grüne Gemüse und Rote Beete herausgestellt. Als Aminosäure das Arginin. Beide Seiten wirken durch ihren wasserziehenden Effekt jedoch wieder negativ. Als Lösung zum Ballasstoffentzug eignet sich das Entsaften. Beim Arginin hat man mit der Vorläuferaminosäure Citrullin einen weniger wasserziehenden Effekt gefunden. Citrullin ist reich in Melonen zu finden. 
Faserarme Gemüse- oder Melonensäfte wären somit ein Ansatz.Vitamin C soll den Effekt verstärken. Die Quintessenz für die Nationalmannschaft liegt natürlich im Probieren und Mixen eines individuell optimalen Getränkes. Wenn eine "Sportnahrung" nicht schmeckt, schlägt der psychologische Abwehrreflex vielleicht den positiven chemischen Effekt. 

Die Geschmacksabwehr lässt sich durch positive Konditionierung jedoch umkehren. "Bittere Tropfen helfen gut" ist eine häufige Annahme. Diesen Placeboeffekt sollte man ausnutzen. Meine von mir persönlich als beste Wettkampfleistung eingeschätzer Lauf war der Hamburg-Halbmarathon in 65:08 min. Vor diesem habe ich, eigentlich zur Verbesserungen der Muskeldurchblutung, reichlich Rote-Beete-Saft getrunken. Ohne Magenprobleme bin ich eine neue 10 km-Bestzeit mit 30:17 min durchgegangen. 

Hier denke und fühle ich als subjektiver Athlet. Wissenschaftlich betrachtet bedeutet meine Erzählung N=1. Für mich werde ich das Konzept vom beetrootjuice weiter verfolgen. Den statistisch signifikanten Effekt aus den Umgebungs- und Vorbedingungen eines Wettkampfes für mich herauszufiltern, maße ich mir nicht an und teste eben an mir selbst das individuelle Ernährungskonzept.  Somit ist es Vorschlag denn als These zu verstehen.


Es selbst zu probieren, bleibt jedem selbst überlassen.

Wohl bekommt's! :-)










Literatur:

Getzin, Andrew R., Cindy Milner, and Karen M. LaFace. "Nutrition update for the ultraendurance athlete." Current sports medicine reports 10.6 (2011): 330-339.

van Wijck, Kim, et al. "Physiology and pathophysiology of splanchnic hypoperfusion and intestinal injury during exercise: strategies for evaluation and prevention." American Journal of Physiology-Gastrointestinal and Liver Physiology 303.2 (2012): G155-G168.

de Oliveira, Erick Prado, Roberto Carlos Burini, and Asker Jeukendrup. "Gastrointestinal complaints during exercise: prevalence, etiology, and nutritional recommendations." Sports Medicine 44.1 (2014): 79-85.

Stuempfle, Kristin Jean, and Martin Dean Hoffman. "Gastrointestinal distress is common during a 161-km ultramarathon." Journal of sports sciences ahead-of-print (2015): 1-8.

Mann, Nirmal S., and Sital Singh. "Runners' Diarrhea: Systematic Evaluation of 1184 Cases with Meta-Analysis." International Medical Journal 22.1 (2015).




2 Kommentare:

  1. Danke für die Literatur-Angaben! Ich musste am Samstag (50km DUV) wegen Magen-Darm-Problemen aufgeben und versuche mich für den nächsten Wettkampf besser vorzubereiten. Es finden sich gar nicht so viele PubMed Einträge zu diesen Themen...

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  2. Danke Paul, Rote Bete am Rennmorgen ist ein guter Tipp, werde ich auch ausprobieren!

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