Montag, 20. Juli 2015

Zustandsbericht: Königschlösser- Romantik-Marathon Füssen 2015 als Beispiel für meine Trainingsform "MSL"- Marathon spezifischer Lauf

Achtung! Extra-langer Blogeintrag :-)
Endorphine garantiert :-)
Es ist die klassische Disziplin des Langstreckenlaufes.  Der Marathonlauf. Für das Gro der ambitioniereten Volksläufer stellt er den Höhepunkt des Wettkampfjahres dar. Ihn zu schaffen ist ein häufiges Ziel. Die Zeiten sind im Allgemeinen vergleichbar. Zumindest vergleichbarer als die von Trailläufen oder Urban Runs. Als klassisch erzogener Bahnleichtathlet, der mit Runden- und Kilometerzeiten aufgewachsen ist, entwirrt sich die 42,195 auch in diese. Und trotzdem oder gerade aufgrund einer Zielwert ist das volkssportliche "Ankommen" nicht immer garantiert. Für den Kopf und für die Beine oder wie ich in der Sportphysiologievorlesung sagen würde: für den Energiestoffwechsel stellt diese Laufdisziplin eine besondere Herausforderung dar.
Schaut man sich die Leistungsentwicklung von Hochleistungsmarathonläufern an, so ist selbst bei ausgemacht guten 10000m-Läufern im Laufe der Marathontrainingsjahre oft eine stetige Entwicklung zu sehen. Ob dabei die kumulativen Trainingskilometer eine extrem große Rolle spielen, bezweifle ich aufgrund der vielen Trainingsjahre in der Unterdistanz. Vielleicht ist es zumindest die Anzahl der Longjogs oder auch nur der schnellen Longjogs. Woran sich der Körper als Gesamtes ohne Zweifel erinnert, ist der Marathon. Im mentalen, muskulären und energetischen Sinne. Die "Finisher" unter den Lesern werden wissen, wovon ich spreche.
Diesen Spruch im Fitnessclub habe ich mir zu Herzen genommen!
Es ergibt sich also aus der Logik heraus, diese 42,195 Kilometer auch im Training zu laufen. Der klassische Skeptiker legt dann gerne das Argument der zu starken Belastung für Sehnen und Knorpel in die Waagschale.  Ich lege die Zeit und Geduld in die Waagschale. Abebe Bikila und seiner 1960er Barfuss-Marathonsieg war fast in Vergessenheit geraten als sich den Skeptiker der Marathonszene verletzungsfreie Finisher in "Free" Schuhen entgegenstellten.

Nun zum "MSL" , dem Marathon-spezifischen Lauf . Diese Abkürzung nutzt Lothar Pöhlitz in seinem neuen Standardwerk des (hoch-) leistungssportlichen Lauftrainings (2) für lange harte Läufe in einer gewissen prozentualen Geschwindigkeit der Marathonzielzeit. Er geht beispielhaft so weit, dass man im letzten Belastungsblock vor dem Hauptwettkampf bis zu 30km in 100% der Zielgeschwindigkeit im Training laufen können sollte.
Die Erkenntnisse diese Buches lasse
 ich in mein Training einfließen

Ich habe diesen Gedanken weiter im Sinne von Yuki Kawauchi gesponnen und mit meiner eigenen eher extrovertierten Persönlichkeitsstruktur verbunden. Der Marathon-spezifischste Lauf ist ein Marathon! Angepasst an die derzeitigen Trainingsuntergründe und den Gesamtumfang habe ich mir als Königseinheit für den ersten Belastungsblock in Vorbereitung auf den Berlin-Marathon namentlich passend den "Königschlösser-Romantik-Marathon" im südbayrischen Füssen herausgesucht. Mit einer Startzeit von Sonntag 7:30 Uhr war ein gewisser Hitzeschutz gegeben. Von den Untergründen mit 50% Strasse und 50% Wald- und Schotterwegen entsprach es fast meiner derzeitigen Einteilung von 50% Strasse, 30% Wiese und 20% Schotter. 

Im Gegensatz zum 40er im heimischen Wald, wie es viele Hochleistungsläufer derzeit praktizieren kommt beim offiziellen Wettkampf auch der offiziellen Vorbereitung eine gewisser Fokus zu, der auch trainiert und im Falle optimiert werden kann. Vor allem stellt er aber eine Abwechslung zum alltäglichen Trainingsterrain dar. Ein Tag im Zug kann entspannender als eine Tag in Berlin sein. Diese Hypothese bestätigte sich auf der Rückfahrt: entsprechende Vorbereitungen (genug zu Lesen, schreiben, Schauen und Hören sowie Ausstattung mit "Noise-cancelling" Kopfhörern und taktische Platzwahl vorrausgesetzt). 

Die  Vorteile eines Landschaftsmarathons im Training liegen auf der Hand: Es paaren sich touristisch wertvolle Erlebnisse und abwechslungsreiches Terrain mit hoffentlich genauen Kilometerangaben und regelmäßigen Verpflegungsstationen. Die Nachteile gilt es zu minimieren: Der Wettkampfmodus soll für ein hartes Training aber nicht als "Abschuss" und Beginn eines Übertrainings genutzt werden. das geplante Tempodiktat sollte einigermaßen eingehalten werden (was übrigens auch im Hauptwettkampf ratsam ist). Jen Borrmann (Deutscher Meister Crosslauf 2005) meinte einmal zu mir über den Konflikt des Marathontempos: "Am Anfang darfst du nicht schnell laufen
 und am Ende kannst du nicht schnell laufen!" 

Am 19.07. 2015 genoss ich die Vorteile schon vor dem Start um 7:30 Uhr in vollen Zügen: In der Nacht konnte ich vom Pensionsfenster aus das angestrahlte Märchenschloss Neuschwanstein von fern bewundern. In der sonntäglichen Morgendämmerung erhoben sich die umliegenden Berge in den romantischsten Blau- und Rottönen. Der klare Himmel prophezeite hohe Temperaturen. 

Auch als Trainingslauf geplant, hatte ich eine gewisse Anspannung und den entsprechenden Respekt vor der Königseinheit. 160 Wochenkilometer waren bis Samstag gesammelt, davon am Mittwochmorgen ein 30er im 3:30er Schnitt und auch sonst waren die Dauerläufe in diesem Tempo.
Tägliches Morgentraining in der Belastungswoche

Donnerstag stand auch die erste Bahneinheit des Marathontrainings an: Zum Eingewöhnen für die Muskeln 10x400 m in 70s (am Ende waren es im Schnitt 68,6s)  mit 200mTrabpause in 50s. Diese soll auf bis zu 25 Wiederholungen ausgebaut werden.
Unmittelbare Vorbereitung auf den MSL 

Als ich vorm Start nach meiner Zielzeit gefragt wurde, nannte ich auch diesen Schnitt in der Marathonsumme: 2:27:40h. Ich sah überraschte und zweifelnde Gesichter. Die skeptische Antwort eine Konkurrenten, dass das Rennen erst ab Kilometer 30 entschieden wird, nahm ich als Ansporn, meine Ansage besonders genau zu erfüllen. Die ersten 3 Kilometer schaute ich bei den Kilometermarken noch auf die Uhr. Aufgrund des Terrains entschied ich mich aber für die "Laufen nach Gefühl"-Variante mit dem Ziel, erst bei Kilometer 10 und 20 auf die Uhr zu schauen. 34:00 und 68:20 waren die Marken. Der Halbmarathon stand mit 1:12h zu Buche. Ich wusste, das die 2 Hälfte für alle Systeme schwerer werden sollte und war froh über den Puffer, denn es sollte ein konstantes Laufen nach Gefühl werden, also gleiches Gefühl, auch wenn ich langsamer dabei werden sollte.

Nachdem ich bis Kilometer 25 nur Wasser entweder über den Kopf oder etwas in den Mund nahm (vorsorglich hatte ich vor dem Rennnen 2 Salzkapseln geschluckt), nahm ich mir im letzten Dritte, Zeit für die Isodrinkaufnahme und ging jeweils 2 Schritte. Ich könnte jetzt meine Darmprobleme auf die nicht ausschließliche Vitargo-Ernährung vor dem Rennen schieben, meine aber, dass die Völlerei am Vorabend für das leicht erhöhte Dauerlauftempo bei nun 25°C und Sonnenschein doch etwas zu üppig war. Nachdem , als Mediziner würde ich es Sigmakluckern nennen (Sigma könnt ihr mal googeln), ich ein paar intestinale Herausforderungen bei Kilometer 23 gemeistert hatte, hielt sich sich die oben benannte Isodrinkaufnahme in Grenzen (um die K.....-Grenze nicht zu erreichen).
In Anbetracht der Hitze wurde ich zum Änderungsschneider / MacGyver
Ein traumhafter Lauf am Sonntagmorgen

Eine kluge Trinktaktik will auch trainiert werden.
Mein tolles GPS-Gerät hatte den Auto-Stop bei Kilometer 23 übrigens für einen kompletten Stop gehalten und war bei 1:17...h stehengeblieben. Aufgrund der pünktlichen Startzeit reichte mir jedoch die reine Uhrzeit für meine Tempokontrolle. Viele sagten zwar, es sah noch sehr locker aus, aber mein inneres wie äußeres Lächeln war doch schon etwas verkrampft, als es ab Kilometer 35 zurück Richtung Füssen ging. Den Burgberg hinauf bei Kilometer 42 hätte ich ohne die 2:25h "Dauerlauf" vorher sicher auch etwas lockerer genommen. Im Ziel war die Freude auf meine Zielzeitgenauigkeit von - 10 Sekunden und das "Finishen" eindeutig ersichtlich.

Allgäuer Zeitung 20.07.2015


3 Liter später konnte ich auch das erste mal Pinkeln. Eine kleine Liegepause im eigentlich ausgecheckten Pensionszimmer wurde durch die Putzfrau unsanft unterbrochen, sodass ich mich dann eher aktiver Regeneration in Form von "Spazieren" widmete.
Läufer unter sich

Die Siegerehrung und den eiweißreichen Quarkkuchen genoss ich mehrfach, bevor ich mich zum Forggensee zum Ausschwimmen verabschiedete.
Die Vorzüge des Sommertrainings

Auch die Zugfahrt zurück in die Hauptstadt konnte medial und mit reichlich Dehungsminuten im leeren Speisewagen gefüllt werden.
Waagerechte im Zug!
Besser, als in jedem
Mietwagen, leider nur
im RE nicht im ICE

Zum ersten Tag der heute beginnenden Regenerationswoche waren die Beine tatsächlich locker, was mir ein 3:42er Schnitt mit Rucksack zur morgendlichen Regenerationseinheit mit etwas Ausschwimmen und Dehung in der leeren aber dafür richtig heißen Sauna, bestätigt wurde.

Von den nicht Involvierten in der Ambulanz hat mir wahrscheinlich auch keiner meinen Marathon angesehen.

Den nächsten MSL werden ich übrigens am 2. August in Rostock  laufen :-).

Als Leistungsteste diese Woche steht am Mittwoch ein klassiche marathonspezifische Laufband-Laktat-Leistungsdiagnostik sowie am Samstagabend auf dem Ku'Damm die Vattenfall Berliner Citynacht an.

Zur Citynacht wird es dann ein paar bedeutende News geben !!!

Auf beides bin ich sehr gespannt. Heute wird der Tag mit Yoga abgeschlossen, was durch die "Reisetätigkeit" leider etwas zu kurz gekommen ist.

Ein paar mehr Impressionen vom KRM 2015 werde ich im Laufe der Woche hoffentlich noch bekommen, denn das Panorama war einfach umwerfend (aber nicht so wie das des Dresden Marathon 2014 (die Insider wissen, was ich meine)).

Von daher kann ich denen, die es sich zutrauen einen MSL nur empfehlen.

Ich wünsche einen guten Start in die Woche!




Quellen: 

  1. http://japanrunningnews.blogspot.de/2014/03/the-kawauchi-counter.html
  2. Pöhlitz, L., and Valentin, J. (2015). Trainingspraxis Laufen: Beiträge zum Leistungstraining (Aachen: Meyer & Meyer Verlag).


Mittwoch, 8. Juli 2015

Schwimmen und Hunger - kleiner Exkurs in die Hormonforschung

Schwimmen macht von den Ausdauersportarten besonders hungrig, diesen Mythos möchte ich heute einmal bearbeiten. Es ist ein klassisches Small-Talk Thema unter Sportlern, insbesondere, wenn man Ex-Schwimmer mit Ex-Läufern vergleicht.

Hormonell baden wir wohl mehr, als dass wir uns beim
Schwimmen  intensiv genug belasten, um abzunehmen.
Bei Übergewichtigen Menschen scheinen Schwimm-Ausdauerprogramme im Gegensatz zu Lauf- oder Radprogrammen NICHT zu einem Gewichtsverlust zu führen (1). (Wohl aber zu einer Verbesserung der Ausdauerleistungsfähigkeit, was schon ein ziemlicher Fortschritt für chronisch Kranke ist (Ja, bezeichne ich leider Übergewichtige (mit Bluthochdruck etc.)). Um sein Gerwicht zu halten und nicht zuzunehmen scheint Schwimmtraining jedoch effektiv zu sein (2), was bei den vielen orthopädischen Vorteilen ein klarer Pluspunkt ist.

In der Forschung schaut man, wenn es um Appetit geht, nach dem appetitanregendem Hormon Ghrelin. Es wird von der Magenschleimhaut und Bauchspeicheldrüse produziert und stimuliert im Gehirn die Ausschüttung eines weiteren appetitanregenden Hormons mit dem Namen Neuropeptid Y. In dieser Kombination scheint es schwer zu sehr, als emotional geleiteter Mensch keine Nahrung aufzunehmen :-). Schlafmangel fördert übrigens auch die Ghrelinproduktion.

Sehr intensive körperliche Belastungen scheinen die Ghrelinproduktion zu vermindern (4). Das spüre ich selbst oft nach harten Tempoläufen. Auch nach einer intensiven Schwimmeinheit (1) wird es vermindert. Das spricht gegen das Mythos, erfordert jedoch die Intensität. Das wäre auch ein Erklärungsansatz. Beim Schwimmen belasten sich die meisten Fereizeitsportler eher geringer, als zu Fuß oder auf dem Rad.

Ein anderes Hormon scheint auch eine Rolle zu spielen. Leptin. Es wird von den Fettzellen produziert. Sinken die Leptinspiegel im Körper, erhöht sich der Appetit. Genau das passiert auch nach einem Schwimmtraining. Ob diese Leptinverminderung in größerem Maße stattfindet, als beim Laufen und Radfahren oder ob die Ghrelinverminderung beim Laufen und Radfahren stärker ist, stellt einen Gegenstand der aktuellen Forschung dar.

Fakt ist. Schwimmen hält fit und stellt eine gutes Trainingsmittel in allen Ausdauersportarten dar. Um damit abzunehmen, muss man aber wahrscheinlich ehemaliger Leistungsschwimmer sein, um auch die entsprechende Intensität für den appetithemmenden Effekt schwimmen zu können.


Herzliche Grüße

Paul Schmidt

Quellen:

  1. King, James A., Lucy K. Wasse, and David J. Stensel. "The acute effects of swimming on appetite, food intake, and plasma acylated ghrelin." Journal of obesity 2011 (2010).
  2. G. Gwinup, “Weight loss without dietary restriction: efficacy of different forms of aerobic exercise,” American Journal of Sports Medicine, vol. 15, no. 3, pp. 275–279, 1987.
  3. H. Tanaka, D. R. Bassett Jr., and E. T. Howley, “Effects of swim training on body weight, carbohydrate metabolism, lipid and lipoprotein profile,” Clinical Physiology, vol. 17, no. 4, pp. 347–359, 1997.
  4. King, James A., et al. "Exercise and ghrelin. A narrative overview of research."Appetite 68 (2013): 83-91.



Montag, 6. Juli 2015

Hitzeanpassung im Sport - mit kleiner Nachbetrachtung des IRONMAN FFM 2015

Nach einem 32km Dauerlauf ab 5:20 Uhr
des Rekordsonntags ließ ich es am 5.7.15
am Badesee eher ruhig angehen
Es war der heißeste Tag, den es in Deutschland jemals gab. Im bayriscen Kitzingen wurden 40,3°C im Schatten gemessen. Der bisher höchste Wert in den Wetteraufzeichnungen Deutschlands. Als Sonntag hat der 5. Juli 2015 seinem Namen somit alle Ehre gemacht. Auch die IRONMAN Europameisterschaft 2015 fand an diesem Tag in Frankfurt am Main statt.

Update 08.07.2015: 

Quellen: http://www.faz.net/aktuell/gesellschaft/ungluecke/ironman-frankfurt-amateur-laeufer-ringt-mit-dem-tod-13690525.html 

http://www.t-online.de/lifestyle/gesundheit/id_74641640/ironman-frankfurt-40-jaehriger-stirbt-durch-wasservergiftung.html

Ein Athlet ist leider verstorben. Wenn das Hirnödem trotz Überwachung und regelrechtem langsamer serumnatriumanhebung entsteht, spielen oft noch andere Einflüsse, wie bspw. ein Hitzschlag mit in die Problematik ein. Ich werde den Fall weiter verfolgen.

Quelle: http://www.hr-online.de/website/specials/ironman-frankfurt/index.jsp?jmpage=1&msg=67209&key=standard_document_55937787#titel3 

350 Behandlungen, 8 intensivmedizinische Behandlungen, was als normaler Wert gilt, das hauptproblem von "Leitungswasser" nennt man im Fachjargon hypotone Hyperhydratation  oder hypotone Dehydratation (wenn insgesamt noch zu wenig Wasser im Körper ist, aber im Verhältnis viel zu wenig Natrium im Blut ist. Damit herrscht eine relative Salzarmut (Hyponatriämie) im Blut, was zu vielfältigen neurologischen Symptomen führen kann. Solche Zustände habe ich im Krankenhaus auch bei älteren oder zuckerkranken Patienten gesehen, die übermäßig getrunken haben.  Geschieht der Natriumabfall im Blut zu schnell, ist der Ausgleich der Natriumionen zum Hirngewebe zu langsam. Nur die Wassermoleküle fließen über und führen zur Hirnschwellung (Hirnödem) Die Therapie ist mit schlichtem Dursten simpel, bedarf teilweise eben intensivmedizinischer Überwachung, da ein  zu schneller Ausgleich des Salzhaushaltes (als ärztlicher Kunstfehler)  insbesondere zur zentralen pontinen Myelinolyse, die bis zum Tod führen kann. Manchmal wird auch der Ausgleich mit der Infusion hypertoner Kochsalzlösung (hochkonzentriert) versucht. Leider läuft man dem Problem dann oft hinterher, auch mit der besten Medizin. Wie leider heute geschehen. 

Ende Update

Trotz einiger Befürchtungen war die Ausfallrate, wie auch die Rate der gefährlichen Hitzeerkrankungen beim Ironman in Frankfurt nicht extrem hoch. Laut Aussage des Rettungsdienstes im TV-Beitrag des Hessischen Rundfunkes lag die Zahl der Behandlungen am Nachmittag bei ca. 100 wobei im Großteil der Fälle eine Krankenhauseinweisung vermieden werden konnte. Weshalb war nicht nur Jan Frodeno zu einem Streckenrekord, sondern auch viele andere Ausdauersportler an diesem Wochenende zu solchen Höchstleistungen fähig?

Die Antwort ist gute Vorbereitung und Hitzeadaptation: 

14 Tonnen Eis wurden laut Veranstalter auf deer Strecke in Kübeln verteilt. Ein Anteil an Frodeno's Sieg ist das gute Hitzemanagement. Er blieb an den Eiskübeln stehen und badete fast darin. Ohne diese Maßnahmen hätte es wohl zuneinem in meinem Artikel zu Hitzeerkrankungen genannten Ausgängen kommen können. 

Der Mensch ist das einzige Säugetier, welches über die Haut schwitzen kann und damit auf längern Strecken bei solchen Temperaturen sogar einem Pferd überlegen. Auch der Barfussforscher Prof. Lieberman der Harvard University nimmt die Hetzjagd der afrikanischen Buschmänner, die über die gleiche Überlegenheit funktioniert zum Anlass seiner Forschungen. 

Ein einem frühern Vortrag hatte ich die Mechanismen der menschlichen Hitzeadaptation einmal aufgelistet: 

  • Verbesserung der Schwitzfunktion

  • geringere Temperaturschwelle des Schwitzbeginns

  • verringerter Natriumgehalt im Schweiß

  • Verbesserte Hautdurchblutung und der Wärmeabgabe darüber

  • Zunahme des Plasmavolumens

  • innerhalb 1 Woche 80-90% der Anpassung mgl.durch 60-90 min tgl. Training in Hitze

  • besser bei höherer Leistungsfähigkeit

  • teilweise genetische Veranlagung

  • negativ: Schlafmangel, Medikamente

Bezüglich des Ironman gibt es gute Gründe, weshalb für die Athleten insbesondere das Laufen eine Herausforderung darstellt. Die Unterschiede zwischne Laufen und Radfahren liste ich kurz auf:

  • Leistung beim Radfahren im Triathlon-Zeitfahren bei hohen Temperaturen i. d. R. nicht vermindert (zu sehen an der neuen Radbestzeit von Jan Frodeno)

  • Gründe: mehr Kühlung durch Evaporation und Konduktion, sowie geringere Luftdichte (= verringerter Luftwiderstand)

  • Laufleistung ca. 2-3 % schlechter/ +10°C  bei erfahrenen, leistungsfähigen Athleten, bis zu 10% bei weniger gut trainierten Läufern!



Das ist auch in Studien mit Sportlern gut belegt und zeigt sich beispielsweise in folgender Abbildung von Radsportlern, die eine Woche täglich in der Hitze trainierten:


aus: Dickhuth, H-H etal.: Sport unter besonderen klimatischen Bedingungen: am Beispiel der olympischen Spiele und der Paralympics 2004 in Athen. 2004.

Das ist auch ein Grund, weshalb es am Sonntag bei einigen ganz gut lief, aufgrund der heißnen Tage davor, konnten sich die Körper gut anpassen. Für Wettkämpfe in (sub)tropischen Gebieten ist deshalb immer eine frühere Anreise mit Anpassungstagen zu empfehlen. Eine Möglichkeit besteht auch in regelmäßigen Saunabesuchen, wie ich es selbst praktiziere. Das bringt übrigens auch eine Leistungsverbesserung außerhalb eines Hitzewettkampfes. Eine Studie von Lorenze et al. 2010 belegt den leistungsfördernden Effekt durch Training in der Hitze: unter kühlen Bedingungen steigen die maximale Sauerstoffaufnahme, das Plasma-, Schlag- und Herzzeitvolumen sowie die anaerobe Schwelle signifikant an nach Hitzeakklimatisation (10 Tage, intermittierend).

Das soll kein Anstoß zum Training einer intensiven in der Mittagshitze bei 35°C sein. Denn dabei kann man für die Muskulatur nicht die entsprechende Intensität für einen Trainingseffekt erreichen und läuft die Gefahr eine Hitzerkrankung zu erleiden.

Nach weiterer Presseschau wird ein Update dieses Artikels folgen.


Herzliche Grüße

Paul Schmidt



P.S.: Für weitere Literatur hat unser Staat gut vorgesorgt. Schon 2004 wurde nach den Hitzespielen in Athen ein sehr gutes, frei verfügbares ebook herausgegeben. 




 Quellen:

  1. Exercise Performance. J Appl Physiol (1985) 109, 1140-7.
  2. Dickhuth, H-H etal.:. Sport unter besonderen klimatischen Bedingungen: am Beispiel der olympischen Spiele und der Paralympics 2004 in Athen. 2004.
  3. http://www.fr-online.de/marathon/ironman-in-frankfurt-jan-frodeno-gewinnt-ironman,1473466,31127072.html
  4. Ely, M. R., S. N. Cheuvront, W. O. Roberts and S. J. Montain (2007). "Impact of weather on marathon-running performance." Med Sci Sports Exerc 39(3): 487-493.
  5. http://www.faz.net/aktuell/gesellschaft/40-3-grad-hitzerekord-in-deutschland-gebrochen-13686987.html


Samstag, 4. Juli 2015

Sport bei hohen Temperaturen - sportmedizinische Empfehlungen


Morgenstund hat Gold im Mund! Trainier dieser Tage zum Sonnenaufgang! Temperatur,Ozon- und Feinstaubwerte sind am niedrigsten. Auch der nicht vom Hitzetag erschöpfte Körper verspricht das bessere Training








Osaka, Japan 25.08.2007: Der Berliner Geher André Höhne liegt im Weltmeisterschaftswettbewerb über 20km Gehen auf Medaillenkurs. Doch 200m vor dem Ziel scheint er 10m mit hängendem Kopf zu gehen, bevor er, wie von einem Großwildbetäubungspfeil getroffen, in sich zusammensackt.
Beim Sturz hat er sich zum Glück nichts getan. Er kann sich jedoch danach an nichts erinnern. Nicht an die verpasste Medaille, nicht an die Fahrt ins Krankenhaus. Er erlitt an einer Kombination aus verschiedenen Hitzeerkrankungen. Auch der Sieger des damaligen Rennens Jefferson Perez kollabierte im Ziele und wurde mit zuckenden Beinen auf einer Trage abtransportiert.
Bereits 9:00 Uhr morgens standen 33°C und 60% Luftfeuchte auf dem Barometer. So wie in unseren Gefilden dieser Tage. Die Ausdauerwettkämpfe in Osaka standen in harter Kritik. Durch gute sportmedizinische Betreuung und guten Vorsorgemaßnahmen gab es damals glücklicherweise keine Vorfälle mit gravierenden langfristigen Folgen.

Wer sich seit dieser Woche auf seine Trainingsrunde begibt, läuft trotz bester Vorbereitung auch Gefahr Ähnliches zu erleiden.

Beim Ironman Frankfurt diesen Sonntag obliegt es dem leitendem Notarzt, das Rennen gar abzusagen. 2013 hatte man das bei der Citynacht Berlin, einem der größten deutschen 10km-Strassenläufe weise so getan.


Um eine Grundlage für die nachfolgen Tipps zu setzen möchte ich eine kurze Zusammenfassung der Krankheitsprozesse geben: 

Erkrankungen bei Hitze entstehen durch 4 grundlegende Prozesse, die es zu minimieren gilt.

1. Die Allgemeinerwärmung der Körpers, zu messen mit der Körperkerntemperatur

2. Die verhältnismäßig zu starke Erhitzung des Kopfes,insbesondere der Hirhäute und des Gehirns, bspw. durch direkte Sonneneinstrahlung

3. Die zu großen Wasserverluste durch ein Mißverhältnis zwischen Trinkzufuhr und Verlust (Schwitzen, Urin, Abatmung befeuchteter Luft, Auflösung der Nahrung).

4. Die Verschiebung des Elektrolythaushaltes durch zu starke Schweißverluste und/ oder übermäßige Zufuhr von salzarmen Wasser

5. Die Verschiebung des Blutvolumens in die Beine mit verschlechtertem Rücktransport

Die Folgen klingen nicht sehr angenehm und die Vorformen bemerken wir schon beim Sitzen in der Sonne:

Eher bei inaktiven Menschen kann man Hitzeödeme erkennen. Gewebewasser sammelt sich in den Beinen und die Haut bspw. am Schienbein lässt sich wie Knete eindrücken. Das sieht man auch bei Herzschwachen im Krankenhaus.

Die Hitzeerschöpfung mit kalter Haut (hohem Puls und niedrigem Blutdruck) sowie unspezifischen Symptomen kann bis zum Schock also Bewusstlosigkeit führen.

Mit eher trockener heißer Haut gehen Sonnenstich und Hitzschlag einher. Sie treten insbesondere bei zu starker direkter Sonneneinstrahlung des Kopfes auf. Die Hirnhäute werden gereizt. Symptomen von Kopfschmerzen bis hin zu Krämpfen und Bewusstlosigkeit können auftreten. Gleichzeitige körperliche Belastung verstärkt das Risiko und die Symptome, da der Körper ja dabei zusätzlich Wärme bildet.

Hitzekrämpfe der Muskulatur treten in den beanspruchten Muskelpartien teilweise erst Stunden nach der Belastung auf, bei der Bauchmuskulatur können sie akute Baucherkrankungen imitieren. Hierbei spielt der Salzhaushalt eine wichtige Rolle.

Der Hitzekollaps tritt auch eher nach der Belastung auf, wenn sich zu viel Blut in den unbewegten Beinen sammelt. Es fehlt dann im Gehirn und führt zu Bewusstlosigkeit.

Ich selbst habe beim Dresden Marathon 2014 (22°C volle Sonneneinstrahlung) wahrscheinlich eine Art Hitzeerschöpfung erlitten und die Sterne gesehen. Beim Rostocker Firmenlauf 2013 (18:00 32°C) musste als ersthelfender Arzt Hitzekollapse und auch eine Patientin mit Hitzschlag, die halluzinierte und krampfte behandeln. Dort hatten viele Laufanfänger in der Gluthitze am Rostocker Hafen 7 km laufe müssen. Die individuelle Toleranz und auch Belastungsintensität ist also ausschlaggebend. Mit guter Vorbereitung und Belastungseinteilung sind ja Wettkämpfe, wie der Marathon de Sables oder der Ironman Hawaii schaffbar!


In den heutigen Tagen sollte wir unser Training sowie unser Wettkampfverhalten hauptsächlich den Wetterbedingungen anpassen.


Eis ist gut, kühles Wasser vor dem Training viel besser
"Coole" Tipps für das Training

Reduziere die Trainingsdauer und -intensität! Gerade zu Beginn einer Hitzewelle ist das Training dabei viel zehrender für den Körper. Damit kommt der Trainingsreiz auch früher! Die Überlastung in Form der Hitzeerkrankungen sorgt definitiv für den größeren Trainingsausfall. Als Faustregel für den Nicht-Hitze angepassten Sportler (insbesondere beim Training im tropischen Urlaub) gilt,die Trainigszeit zu halbieren und die geplante Intensität um zu 20% reduzieren. Bereits nach 5 Tagen "Hitzetraining" passt sich der Körper zum Glück etwas an.

Trainiere kühl! Dafür gibt es viele Tipps. Auch etwas Flexibilität ist gefragt. Eine kühle Dusche vor dem Training, eher mal ein Schwimmtraining, vielleicht doch mal auf dem Laufband / Ergometer

Trainiere, wenn möglich, in den Morgenstunden! Der Kopf ist zwar müde, aber der Körper vom Wasserhaushalt her deutlich besser aufgestellt als nach einem zehrendem Hitzetag. Ganz abgesehen von den klassischerweise niedrigsten Tagestemperaturen in der Morgendämmerung ist auch die Ozon-, Pollen-, und Feinstaubbelastung kurz vor "sunrise" am tiefsten. 

Trainiere schattig! In der Sonne sind Hitzeerkrankungen viel häufiger. Auch die Sonnenbrandgefahr ist vermindert! Schatten für Haut und Kopf ist auch im Sinne einer "hellen luftigen Kopfbedeckung" zu sehen. Die wichtige Sonnencreme schützt nicht vor Hitze!!! Hierbei sollten fettarme Cremes, welche die Schweißporen nicht verstopfen, benutzt werden

Trainiere luftig! Da Hitze durch Luftströmung hinfort getragen wird (Konvektion) vermindert luftige Kleidung den Hitzestau an der Körperoberläche.

Trinke ausreichend (aber nicht zu viel) vor und während dem Training! Als tolerabel gelten 500-750 ml (also eine volle Trinkflasche) kurz vor der Belastung. Während längerer Belastungen, werden geplante Flüssigkeitsaufnahmen von 100-200 ml aller 10-15 min empfohlen (iso- bis leicht hypotone Getränke).

Iss salzig! Was für den Bluthochdruckpatienten als ungünstig gilt, ist für Hitzephasen zu empfehlen. Das Trinkverhalten wird automatisch verbessert und auch die Ausdauerleistungsfähigkeit wird verbessert. Ich selbst nutze vor langen Hitzeeinheiten Salzkapseln (hier habe ich bisher nur Erfahrungen (aber gute :-)) mit denen meines Ernährungssponsors Vitargo. Diese führen auch zu einer Leistungsverbesserung, wenn es keine extreme Hitze, wie am 4./5. Juli 2015 ist. (307+-32min vs. 333+-40min bei einem Halbironman (26°C) mit 3x2,5g Salzkapseln vs. Zellulosekapseln. Die genauen Mechanismushypothesen werden in einem späteren Blogartikel folgen. 
Grundlegend sollte bei einem Schweißverlust von 1 l auf einen zusätzliche Salz (Nacl) - aufnahme von 0,8g geachtet werden (entsprecht ca 0,32g Natrium und 0,48g Chlorid), egal ob aus dem Sportgeträng oder aus der Nahrung.


Zusätzliche "Kühltipps" beim Wettkampf oder intensivem Training


Leider gibt's die nicht an jeder Laufstrecke


  • Kühlbecken / kalte Dusche vor dem Wettkampf


  • Kühlweste/ Kühlkleidung (bspw. Idenixx, vor der Rostocker Marathonnacht 2013 (Start 18:00 30°C lag mein nasses Trikot 500m vom Start entfernt im Eisfach)


  • kühle Umgebung/ Schatten (wenn möglich auf der "Schattenseite" fahren/laufen


  • vorher Wassereis/gekühlte Getränke (sollte vorher geübt werden, da es Magen-Darm-Krämpfe verursachen kann)


  • nasse Mütze/Haare, helle Kopfbedeckung (ein Becher im Mund, 2 über den Kopf !!!)


  • Schwämme nutzen (insbesondere Kopf, in das Kappi klemmen)


  • Sprühstationen nutzen

Als Ersthelfer oder selbst Betroffener kann man sich an folgende Maßnahmen halten:

 Hitzeerkrankungen – Akut-Therapie 
(modifiziert nach Standards der Sportmedizin dtsch. Zeitschr. f. Sportmedizin) 

 SONNENSTICH

 • Sofortige Beendigung der Sonnenexposition und Ruhe an einem schattigen Ort meist ausreichend 

HITZEKRÄMPFE / HITZEERSCHÖPFUNG

Flachlagerung in kühler Umgebung 

• Isotonische Getränke in häufigen kleinen Portionen trinken

• Gegebenenfalls natriumchloridreiche intravenöse Infusionslösung (bis zu 4 l/Tag) (Dafür benötigt bedeutet für den Sportler im Dopingkader eine nachträgliche Ausnahmegenehmigung und eine Vorstellung in der Notaufnahme!

• Bei Hitzekrämpfen mit persistierenden Muskelspasmen im Notfall langsame intravenöse Infusion einer hypertonen Kochsalzlösung (das gehört auf eine Notaufnahme oder Intensivstation!!!)

HITZSCHLAG 

Flachlagerung in kühler Umgebung 

• Dosierter Wärmeentzug bis > 38°C Körpertemperatur

Mit Wasser besprengen • Einwickeln in feuchte Tücher 

• Gegebenenfalls Plasmaexpander intravenös infundieren (das ist nur etwas für erfahrene Notärzte!)

• Ständige Kontrolle der Körperkerntemperatur und der Vitalfunktionen

• Bei ersten Anzeichen für Kreislaufinstabilität Krankenhauseinweisung mit ärztlicher Begleitung

HITZEKOLLAPS 

Flachlagerung und Anheben der Beine in Taschenmesserposition in kühler schattiger Umgebung 

• Selten Verabreichung von Vasokonstriktoren erforderlich (Notarztsache!)


Wer es bis hierhin geschafft hat, sass wahrscheinlich in einem kaltem Raum. Ich hoffe Ihr müsst die oben genannten Maßnahmen nicht anwenden und wünsche viel Spaß beim Training. Im Falle zögert bitte nicht die 112 (also den Notarzt) zu rufen.

Quellen:  


  1. Hitzeerkrankungen beim Sport . "Standards der Sportmedizin Hitzeerkrankungen." DEUTSCHE ZEITSCHRIFT FÜR SPORTMEDIZIN 54.4 (2003).
  2. http://www.tagesspiegel.de/sport/leichtathletik-wm-berliner-geher-erleidet-hitzschlag/1024656.html
  3. http://www.derwesten.de/sport/hitze-drama-um-geher-andre-hoehne-id1946954.html
  4. Nichols, Andrew W. "Heat-related illness in sports and exercise." Current reviews in musculoskeletal medicine 7.4 (2014): 355-365.
  5. Mountjoy, Margo, et al. "Hyperthermic-related challenges in aquatics, athletics, football, tennis and triathlon." British journal of sports medicine 46.11 (2012): 800-804.
  6. Del Coso, J., et al. "Effects of oral salt supplementation on physical performance during a half‐ironman: A randomized controlled trial."Scandinavian journal of medicine & science in sports (2015).